Mit Schlagstock, Pfefferspray und Aufenthaltsverboten gegen Wohnungslose
und Arme?!
von thomas molck
Am Mittwoch, den 23. November war die aktuelle Entwicklung von
Vertreibung im öffentlichen Raum Thema der zweiten Veranstaltung
in der Reihe „Hochschule in der Stadt - Zurück zur Armutspolizey?“.
Auf der gut besuchten Veranstaltung diskutierten Oliver Ongaro,
Streetworker beim Strassenmagazin fiftyfifty und Klaus Riekenbrauk,
Professor für Rechtswissenschaften am Fachbereich Sozial- und
Kulturwissenschaften der FH Düsseldorf mit interessierten Lehrenden,
Studierenden und anderen BesucherInnen aus der Stadt.
Oliver Ongaro ging zunächst der Frage nach, wie es zum kommunalen
Ordnungs- und Servicedienst in Düsseldorf kam.
1997 wollte ALDI gegen Punks vor dem ALDI-Supermarkt in der düsseldorfer
Altstadt einen privaten Sicherheitsdienst einsetzen. Aber die damalige
rot-grüne Mehrheit im Stadtrat zog es vor damit das Ordnungsamt
zu beauftragen und rief den kommunalen Ordnungsdienst mit zunächst
2 Mitarbeitern ins Leben. Heute hat der Ordnungs- und Servicedienst
140 MitarbeiterInnen und einen Etat von 4 Millionen Euro.
Grundlage dieser Entwicklung sei ein eher diffuses gefühl
von „Störung“ durch bestimmten Menschen die von
den „normalen“ BesucherInnen der Innenstadt abweichen.
Oft betrifft das gerade Wohnungslose und Arme. Aus diesem Gefühl
der „Störung“ wird eine Gefahr beschworen und daher
sei gegen einfache „Störungen“ wie Betteln, Wegwerfen
von Zigarettenkippen oder Pinkeln in der Öffentlichkeit offensiv
vorzugehen.
Nach dieser „Broken Windows“ Theorie wurde schon 1993
in New York das sogenannte "Zero Tolerance" Konzept mit
drastischen Strafen für solche Bagatellen umgesetzt. Dies war
auch ein Vorbild für entsprechende Maßnahmen in Düsseldorf,
die mit dem Ordnungs- und Servicedienst und der düsseldorfer
Straßenordnung umgesetzt wurden.
Als gefährlich würden dabei aber nicht drei betrunkene
Altstadtbesucher gesehen, die um 11 Uhr abends ihre T-Shirts ausziehen
und vor einer Kneipe auf der Straße gröhlen, wohl aber
drei Wohnungslose die auf der Straße ihr Bier trinken.
Der Prof. Klaus Riekenbrauk nannte weitere Beispiele von Maßnahmen
gegen „Störende“ in den Städten, wie zum Beispiel
sogenannte „Verbringungen“, bei denen die Polizei menschen
an Plätze weit ausserhalb der Städte „verbringt“
von denen aus sie Stunden zurück in die Innenstadt brauchten.
Leider wurden auch solche Maßnahmen früher in den Rechtswissenschaften
durchaus oft als rechtsmäßig bezeichnet. Mittlerweile
gäbe es aber auch hier immer mehr Positionen, die die Rechtmäßgikeit
solcher Maßnahmen bezweifeln.
Zum Beispiel verbietet der § 6 der düsseldorfer Straßenodnung
unter anderem aggressives Betteln, Lagern in Personengruppen, Gröhlen
unter Alkoholgenuß, die Verrichtung der Notdurft, das Nächtigen
und Lärmen in der Öffentlichkeit. Dies sind aber aufgrund
der Straßenodnung nur Ordnungswiderigkeiten. Eine Einschränkung
des Grundrechtes auf Freizügigkeit der Menschen sei aber nur
zur Vorbeugung von Straftaten zulässig.
Insofern sei grundlegend zu prüfen inwieweit solche Rechtsbestimmungen
überhaup zulässig seien. Darüberhinaus finden die
Möglichkeiten des kommunalen Ordnungsdienstes aber auch nach
dem gültigen Ordnungsbehörden- und dem Polizeigesetz klare
Grenzen.
Das Thema ist für Prof. Klaus Riekenbrauk auch ein Thema der
Lehre am Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften, wo er im
nächsten Semester auch eine Lehrveranstaltung zum Thema „Recht
auf der Straße“ anbieten wird.
In der anschließenden Diskussion wurde schließlich
auch mehrfach auf den Zusammenhang solcher Ordnungsmaßnahmen
mit einer Politik hingewiesen, die die Armut in der Gesellschaft
immer mehr verstärkt.
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