4. Mai 2006
Fabian Kessl:
Zur Kritik der Sozialraumorientierung
Soziale Arbeit sieht sich seit einigen Jahren invielfältiger Weise der Forderung gegenüber gestellt, ihr Vorgehen und ihre Organisationsformen grundlegend zu verändern. Kommunale Verwaltungsmodernisierung, Privatisierung bisher öffentlicher Leistungen und Angebotsorientierung sind nur einige Schlagworte aus diesen Debatten. Während diese Forderungen auf Seiten der Wissenschaft, der Träger, der Fachkräfte und der Nutzer häufig skeptische bisablehnende Reaktionen auslösen, herrscht über eine andere Forderung weitgehende Einigkeit: Soziale Arbeit soll sozialraumorientiert arbeiten und organisiert sein. Sozialraumorientierung ist also die Antwort. Doch was war noch mal die Frage?
Vor allem auf vier Dimensionen sollen sozialraumorientierte Strategien in den Feldern Sozialer Arbeit ansetzen. Eine sozialraumorientierte Soziale Arbeit soll
- die verstärkteräumliche Konzentration von Armut in den Blicknehmen und vor Ort bekämpfen (Aktivierungsozialen (Bindungs)Kapitals),
- lokaleZusammenhänge in einer zunehmend globali-sierten Welt (re)konstruieren (Lokalisierung),
- überschaubare, nachbarschaftliche Gemeinschaf-ten schaffen in einer Welt wachsenderDifferenzen (Re-Vergemeinschaftung), und
- diebereits vorliegenden nahräumlichen Bindekräftein den benachteiligten Stadtteilen stärken (Kulturder Armut).
Die zentrale Programmformel für eine sozialraumorientierte Soziale Arbeit könnte man also etwa folgendermaßen formulieren: „Eine nachbarschaftlich-gemeinschaftliche Kultur der Armut in räumlich segregierten Wohnarealen aktivieren“.
Dieses Programm erweist sich allerdings bei näherer Betrachtung, so die These des Referats, als mehrfach verkürzt, wodurch die Strategien einer sozialraumorientierten Sozialen Arbeit aktuell immer wieder in die Gefahr geraten, entscheidende Zusammenhänge zu übersehen und Handlungsoptionen für die Betroffenen eherzu begrenzen als zu erweitern.
Fabian Kessl, Fakultät für Pädagogik, AG Sozialarbeit/ Sozialpädagogik, Universität Bielefeld
FabianKessl arbeitet u.a. zu Räumlichkeit und sozialem Kapital, zu Fragen der Kinder- und Jugendhilfe und zu einer politischen Theorie Sozialer Arbeit. Zusammen mit Hans-Uwe Otto Herausgeber der Veröffentlichung Soziale Arbeit und Soziales Kapital (2004).
Moderation: Dr. Reinhold Knopp
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