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„Angebote für und mit zugewanderten Familien sind immer noch ein Randsegment in der Familienbildung“
Ergebnisse des Forschungsprojekts „Zuwanderung – ihre Folgen und Herausforderungen für die Eltern- und Familienbildung in Nordrhein – Westfalen“
von Veronika Fischer
Die Ergebnisse des Forschungsprojekts „Zuwanderung – ihre Folgen und Herausforderungen für die Eltern- und Familienbildung in NRW“ der Professorinnen Dr. Veronika Fischer, Dr. Doris Krumpholz und Soz.Päd. Adelheid Schmitz vom Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften wurden jetzt erstmals während einer Fachtagung vorgestellt. Die Evaluation fand von 2005 bis 2006 im Auftrag des Ministeriums für Generationen, Familie, Frauen und Integration in enger Verbindung mit den Landesarbeitsgemeinschaften der Eltern und Familienbildung in NRW statt. Im Kern ging es um die Frage, wie Einrichtungen der Eltern- und Familienbildung mit den Anforderungen, die sich aus der Zuwanderung nach Nordrhein-Westfalen ergeben, umgehen. Gegenstand der Untersuchung waren zielgruppenspezifische und interkulturelle Angebote der Familienbildung, die sich an Familien mit Migrationshintergrund richteten. Erfasst wurden 150 Einrichtungen, von denen sich 70 an der Befragung beteiligten und 36 angaben, entsprechende Angebote für und mit zugewanderten Familien zu planen und umzusetzen.
Die Evaluation kam unter anderen zu folgenden Ergebnissen:
- Einrichtungen mit zielgruppenspezifischen und interkulturellen Angeboten sind regional sehr unterschiedlich verteilt und eher in den kreisfreien Städten entlang des Rheins und im Ruhrgebiet mit einem prozentual hohen Anteil an Migrantenbevölkerung zu finden.
Angebote für und mit zugewanderten Familien sind mit einem Anteil von 13% am Gesamtangebot immer noch ein Randsegment in der Familienbildung, womit sich ein Ungleichgewicht zwischen dem tatsächlichen Angebot einerseits und dem wachsenden Potenzial an möglichen Nutzern in der Migrantenbevölkerung andererseits ergibt. Einen Migrationshintergrund zu haben, ist längst nicht mehr Merkmal einer verschwindenden Minderheit, sondern kennzeichnet zunehmend die Bevölkerung in NRW (22,5%).
- Gerade die Einrichtungen, die auf eine längere Tradition in der Migrationsarbeit zurückblicken, praktizieren erfolgreiche Strategien der Zielgruppenansprache und –arbeit. Insbesondere dann, wenn die Einrichtungen die traditionelle Komm- um Gehstrukturen erweitert haben, konnten Hemmschwellen bei den Betroffenen abgebaut und auch benachteiligte Familien mit Migrationshintergrund gewonnen werden.
- Einige Einrichtungen, die auf Basis eines Stadtteilkonzepts arbeiten und mit Räumlichkeiten in Stadtteilen verankert sind, wo viele benachteiligte und marginalisierte Familien mit Migrationshintergrund leben, konnten die Zielgruppen dann erreichen, wenn sie beispielsweise Multiplikatoren gewinnen konnten.
- Die Familienbildung leistet einen Beitrag zur sozialkulturellen Integration im Hinblick auf Spracherwerb, Orientierungswissen zur Bewältigung von Alltagssituationen, interkulturelle Kontakte und interreligiösen Austausch. Im Veranstaltungsangebot nehmen Kurse zum Spracherwerb einen relativ hohen Stellenwert ein, was darauf zurück zu führen ist, dass die Deutschkurse ein Einstiegsangebot sind, das von den Adressaten gut angenommen wird und zugleich als Integrationsbrücke in das Regelprogramm funktioniert. Von Vertretern und Vertreterinnen der Familienbildung wird darüber hinaus der Wunsch geäußert, vermehrt junge Paare, angehende Eltern und solche mit ihrem gerade geborenen Kind für die Teilnahme an Eltern- und Familienförderprogrammen zu gewinnen. Das Programm „Starke Eltern –starke Kinder“ wird bereits im Hinblick auf Zielgruppen türkischer Herkunft evaluiert.
- Viele der Maßnahmen unterstützen die Eltern auch bei den sensiblen Übergangsphasen vom Kindergarten in die Grundschule (wie „Griffbereit“ oder das „Rucksack-Projekt“) oder von der Grundschule in weiterführende Schulen. Sie bauen auf partizipativen Ansätzen auf, die die Eltern im Sinne einer Erziehungspartnerschaft in ihre Arbeit einbeziehen. Im Sinne eines Empowermentansatzes werden die Eltern darin bestärkt, ihre Elternrolle auch öffentlich in den Bildungsinstitutionen selbstbewusster wahrzunehmen.
- Verbesserte Methoden, um Zielgruppen mit Migrationshintergrund zu ereichen, stellen eine zentrale Maßnahme im Kontext interkultureller Öffnungsprozesse dar. Darüber hinaus erfordert die interkulturelle Öffnung der Familienbildung ein Leitbild, verbunden mit einem Konzept für die inhaltliche Arbeit, Maßnahmen zur Personalentwicklung und die Vernetzung mit Migrationsdiensten und Migrantenselbstorganisationen. Gut ein Drittel der Einrichtungen hat bestätigt, ein interkulturelles Leitbild zu haben, die Mehrzahl befindet sich noch am Anfang der Diskussion.
- Organisationsentwicklungsprozesse, die im Zuge interkultureller Öffnung der Familienbildung erforderlich werden, gehen vielfach mit Vernetzungen einher. Es reicht in der Regel nicht aus, einrichtungsinterne Ressourcen zu nutzen, vielmehr sollte auch auf die Potenziale externer Netzwerke zurückgegriffen werden. Hier bieten sich sowohl Vernetzungen auf der Ebene kommunaler Integrationskonzepte, mit Migrationsfachdiensten, anderen Kultur- und Bildungseinrichtungen als auch mit Migrantenselbstorganisationen an.
- Um die Innovationsfähigkeit und Qualität der Familienbildung zu gewährleisten, sind die Einrichtungen auf verlässliche Strukturen angewiesen. Gerade niederschwellige Angebote im Migrationsbereich werden oft als Modellprojekte finanziert und nach deren Ablauf wieder eingestellt, weil andere Mittel nicht zur Verfügung stehen. Umso wichtiger sind für die Familienbildung verlässliche Finanzierungsquellen auf gesetzlicher Grundlage.
Nähere Auskunft erteilt Prof. Dr. Veronika Fischer, FH Düsseldorf, Tel. 0211/ 811 46 43 oder veronika.fischer@fh-duesseldorf .de.
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