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Doktorarbeit eines Absolventen der FH D gewährt Einblicke in die Innenwelt türkischer Wohnquartiere
Ethnische Kolonien als Brücken zur Integration
von Simone Fischer
Ethnische Kolonien mit einer reichhaltigen Ausstattung an Imbissstuben, Läden, Cafés, Migrantenvereinen und Moscheen gehören zum Bild deutscher Städte. Dr. Rauf Ceylan, Sozialwissenschaftler an der Fachhochschule Düsseldorf, hat in seiner jetzt vorgelegten Doktorarbeit zum ersten Mal systematische Einblicke in das innere Leben einer türkischen Kolonie in einem Duisburger Stadtteil geliefert.
Die Rolle solcher Kolonien für den Eingliederungsprozess ist durchaus ambivalent. Einerseits erleichtern sie den Migranten, sich in der neuen Gesellschaft zurechtzufinden. Andererseits kann das Leben in der ethnischen Kolonie auch zur Fremd- und Selbstausgrenzung aus der Gesellschaft führen. In 83 Intensivinterviews hat Ceylan Einblicke in das Innenleben der türkischen Kolonie gewonnen, die ihn selber überraschten. Da habe sich, seinen Ergebnissen zu Folge, klammheimlich, im Schatten des deutschen Rechtssystems, ein Milieu entwickelt, in dem Glücksspiel, Prostitution und Finanzbetrug gedeihen. Durch Cafés und Moscheen zögen sich politische, regionale und konfessionelle Konfliktlinien. Die Jugendlichen, die in einem solchen Viertel aufwachsen, haben nur geringe Bildungs- und Berufschancen. Auch die vielgelobte ethnische Ökonomie vermöge kaum mehr als wenig qualifizierte Aushilfsjobs in Dönerbuden und Lebensmittelläden bereitzustellen, stellt er in seiner Dissertation heraus.
Wenn man die ethnischen Kolonien weiterhin sich selbst überlässt, so Ceylans Voraussage, wächst der Nährboden für ethnisch-kulturelle Konflikte und politisch-extremistische Tendenzen unter den Migranten. Es gäbe aber auch Chancen, dieses Szenario abzuwenden.
„Die Selbsthilfeeinrichtungen und Organisationen der Migranten verfügen nämlich auch über das Potential, Brücken zwischen der deutschen Gesellschaft und der ethnischen Kolonie zu bauen“, erklärt er. Anerkennung, Unterstützung und Einbindung lauteten die Schlüsselworte für die Integration der ethnischen Kolonien in die deutsche Gesellschaft. Konkret könne das bedeuten: Ausbildung der Imame, die innerhalb der türkischen Kolonien einflussreiche Schlüsselpersonen darstellen, an deutschen Hochschulen, damit sie einen „Euro-Islam“ auf dem Boden des Grundgesetzes lehren; Kooperation zwischen sozialen Diensten und Migrantenorganisationen bei der sozialen Arbeit; Zusammenarbeit zwischen Polizei und Migrantenvereinen bei der Kriminalitätsvorbeugung.
Entscheidend sei aber, resultiert der Sozialwissenschaftler, die Integrationschancen der Jugend zu verbessern. Das beginne mit systematischer und ausreichender Sprachförderung bereits im Vorschulalter, beinhalte einen umfassenden Förderunterricht an den Schulen und schließt Projekte der Straßensozialarbeit ein, um den Jugendlichen Alternativen zum Fundamentalismus zu bieten.
Prof. Dr. Volker Eichener, Politikwissenschaftler am Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften an der Fachhochschule Düsseldorf, kommentiert die von ihm betreute und an der Ruhr-Universität Bochum mit „magna cum laude“ (sehr gut) bewertete Doktorarbeit: „Angesichts der Parallelwelten, die sich in den türkisch geprägten Wohnquartieren entwickeln, können wir es uns nicht länger leisten, die innere Struktur der ethnischen Kolonien einfach zu ignorieren, sondern wir müssen die Potenziale, die diese Kolonien bieten, nutzen, um die interkulturellen Beziehungen und die gesellschaftliche Integration voranzutreiben.“
Dipl.-Sozialpädagoge Rauf Ceylan ist als Absolvent der Fachhochschule Düsseldorf innerhalb des Assistentenprogramms des nordrhein-westfälischen Ministeriums für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie gefördert und an der Fakultät für Sozialwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum promoviert worden. Während seiner zweijährigen Vorbereitungszeit war Rauf Ceylan als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften tätig.
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