Bundesrichter: „Hartz IV-Eingliederungsvereinbarungen gehören vor die Sozialgerichte“
Ergebnisse der Fachtagung zum Thema „1-Euro-Jobs“ am 22. November
von Utz Krahmer
Seit dem 1. Januar 2005 ist die „Hartz IV-Reform“ in Kraft. Aus Sicht und Erfahrung von Arbeitsmarktforschern, Wohlfahrtsverbänden, Sozialwissenschaftlern und Justiz kristallisiert sich zunehmend heraus, dass die gesellschaftliche Wirklichkeit dieser Reform sich zu einem nicht unerheblichen Teil von der rechtlichen als auch von der politischen Rhetorik der Verantwortlichen unterscheidet. Vor diesem Hintergrund hatte der Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften der Fachhochschule Düsseldorf jüngst zu einem öffentlichen Fachdiskurs in die Hochschule eingeladen, in dem die rechtlichen Rahmenbedingungen mit der politischen Rhetorik und der gesellschaftlichen Praxis der „1-Euro-Jobs“ abgeglichen werden sollte.
Zum Tagesthema referierte der Richter am Bundessozialgericht Dr. Wolfgang Spellbrink und wies dabei auf die vielen ungeklärten Rechtsfragen hin. Er teilte die Kritik, wie sie im einführenden Statement von Rechtsprofessor Dr. Utz Krahmer vom Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften – wie schon vom Bundesrechnungshof – formuliert wurde. Der Bundessozialrichter hält insbesondere die Eingliederungsvereinbarung für ein „äußerst missglücktes Konstrukt“. Wenn diese nicht wirklich ausgehandelt, sondern dem Arbeitslosen durch Kürzungsdrohungen aufgezwungen sei, solle er sie nach Ansicht von Spellbrink nicht unterschreiben und nach vollzogener Kürzung der Arbeitslosengelds II vor dem Sozialgericht klagen: Spätestens dort werde er Recht bekommen.
Die Rechtsprofessorin Helga Spindler forderte gar die Reduktion der ca. 300.000 1-€-Jobs um zwei Drittel: Dann könne damit nicht mehr „so viel Unsinn und regulärer Arbeit Konkurrenz gemacht“ werden.
An der Tagung nahmen etwa 130 Interessierte teil, darunter auch einige betroffene Langzeitarbeitslose. Sie machten deutlich, dass viele von ihnen die 1-Euro-Jobs nur machen, weil sie dadurch eine Aufstockung der Regelleistung in Höhe von 345,- € erhalten. Außerdem hofften viele Betroffene auf eine Übernahme in reguläre Arbeit. Doch Krahmer zufolge „wird diese Hoffnung in über 90 % der Fälle enttäuscht.“
Sinn könnten die 1-Euro-Jobs – dies war durchgängige Auffassung der Betroffenen wie auch der Wissenschaftler – nur in den Fällen haben, in denen sich aufgrund langer Arbeitslosigkeit persönliche Problemlagen entwickelt hätten und Beschäftigung auf der Basis der Freiwilligkeit helfen könne, diese besser zu bewältigen. Insgesamt sei der reguläre Arbeitsmarkt strukturell für mehrere hunderttausend Arbeitslose dauerhaft verschlossen, so dass öffentlich subventionierte Arbeitsvertragsvarianten geschaffen werden sollten. |