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„Menschen statt Mauern“
Experten setzen auf Prävention und gezielte Betreuung
von Simone Fischer
Ein kleiner Raum: In ihm stehen ein schmales Bett, ein Regal, eine Schreibtischplatte, eine Toilette und ein Waschbecken. Kalt und schmucklos fühlt es sich in der Gefängniszelle an. Sie steht im Mittelpunkt der Ausstellung „Menschen statt Mauern“. Dabei handelt es sich um einen exakten Nachbau der Zellen, in denen Jugendliche in der JVA Köln - Ossendorf untergebracht sind. Die 23 Tafeln an den Außenwänden informieren über die sozialen und politischen Zusammenhänge der Jugenddelinquenz. Prof. Dr. Klaus Riekenbrauk, Professor für Strafrecht, Jugendstraf- und Jugendhilferecht, hat die Ausstellung vom 5. bis zum 21. Dezember an den Fachbereichs Sozial- und Kulturwissenschaften geholt. „Sie soll über den Jugendstrafvollzug aufklären und Impulse zum Nachdenken geben“, erklärte er während der Eröffnung am 5. Dezember.
„Eine gute Sozialpolitik ist die beste Kriminalpolitik“
Seit über 100 Jahren ist bewiesen, dass harte und lange Haftstrafen zu hohen Rückfallquoten führen. Nach dem Zweiten Periodischen Sicherheitsbericht der Bundesregierung (2006) liegen die Rückfallquoten bei Jugendlichen, die zu Haftstrafen ohne Bewährung oder zu Jugendarrest verurteilt wurden, bei 80%. „50 Prozent davon befinden sich nach kurzer Zeit wieder im Gefängnis“, berichtete Klaus Jünschke, Projekt Haftvermeidung des Kölner Appell gegen Rassismus. Die aktuelle Ausstellung ist ein Projekt dieser Initiative. Obwohl schon Justizminister Gustav Radbruch in der Weimarer Republik forderte: „Wir brauchen keine besseren Gefängnisse, sondern etwas besseres als das Gefängnis“, sind die Jugendgefängnisse überfüllt. Die Schautafeln verdeutlichen dies. Demnach sind etwa 6.700 Jugendliche im Strafvollzug. Allein in NRW gibt es fünf Jugendgefängnisse. „Die Forderung nach einem Europa ohne Jugendgefängnisse ist sicher begrüßenswert, aber ich denke, es ist eine Illusion“, räumte Burkhard Spix, Jugendrichter am Amtsgericht Düsseldorf, ein. Dennoch betonte er, dass eine gute Sozialpolitik die beste Kriminalpolitik sei. Ähnlich wertete auch Riekenbrauk die Situation. Am Beispiel der Schweiz, wo straffällig gewordene Jugendliche nicht in Gefängnisse, sondern in Erziehungseinrichtungen kämen, zeigte er eine mögliche Alternative auf. Nicht zu vergessen sei auch das Thema „Gewalt im Knast“ „Die gehört zur Tagesordnung und diese kann auch durch Strukturen erzeugt werden, das heißt, es gibt auch einen sozialpädagogischen Aspekt zur Delinquenz, den es zu beachten gilt“, erklärte der Professor.
Die Lösung für das Paradox? Sollten doch Jugendgefängnisse eine Einrichtung zur Resozialisierung sein und zugleich produzieren sie eine hohe Rückfallquote. Jünschke verwies in diesem Zusammenhang auf die Gewalt hinter Gittern, die zu geringe Betreuung durch Sozialpädagogen oder Psychologen, zumal ein Großteil der jungen Inhaftierten aus einem schwierigen familiären und sozialen Umfeld kämen, und den hohen Anteil Suchtkranker. Mehr Prävention und gezielte Betreuung durch qualifiziertes Personal forderten die drei Referenten.
„Knast – Ich? – Nie!“
An den Schautafeln findet der Besucher Zahlen zur Entwicklung der Jugendkriminalität, erhält Einblicke und Informationen zum Haft-Alltag. In der Zelle selbst steht zum Ausstellungszweck ein Fernseher. Darin ist ein fünfminütiger Film zu sehen. Unter dem Titel „Knast – Ich? – Nie!“ schildert Andreas seine Erfahrungen in der JVA Ossendorf.
Das Projekt steht unter Schirmherrschaft von Rudolf Baum, Bundesinnenminister a.D., und soll Besuchern die Möglichkeit einer sachlichen Auseinandersetzung mit dieser Entwicklung anbieten.
Die Ausstellung ist Jörn Foegen gewidmet, dem 2006 verstorbenen Leiter der JVA Köln, und ist ein Projekt des Kölner Appell gegen Rassismus e.V. (www.jugendliche-in-haft.de). Sie wird durch den Förderverein des Fachbereichs Sozial- und Kulturwissenschaften finanziell unterstützt.
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