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Fachbereich Sozial- |
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24.10.12 |
Tagungsbericht von Henning van den Brink Seit 25 Jahren wird am Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften über Rechtsextremismus mit all seinen Facetten geforscht und berichtet. Am 5. und 6. Oktober feierte FORENA in der Jugendherberge Düsseldorf sein Jubiläum und lud Vertreter aus Wissenschaft, Praxis und Politik zu einer Fachtagung ein. Schon der Untertitel der Veranstaltung zeigte, dass der Forschungsschwerpunkt seit seiner Gründung durch Professorin Christiane Rajewsky nicht allein auf wissenschaftlicher Expertise und Dienstleistung fußt, sondern darüber hinaus seine Rolle als gesellschaftspolitischer Akteur wahrnimmt, der Politik und Praxis Unterstützung bei der Bewältigung von Problemlagen anbietet, die um das Phänomen Rechtsextremismus oszillieren. FORENA war – daran erinnerte die Präsidentin der Fachhochschule Düsseldorf, Prof. Dr. Brigitte Grass – der erste Forschungsschwerpunkt, der an der FH durch das Wissenschaftsministerium Nordrhein-Westfalen (NRW) anerkannt wurde. Sie hob die langjährigen und vielfältigen Forschungs- und Vernetzungsaktivitäten des Forschungsschwerpunktes hervor, die einen wesentlichen Teil des Forschungsprofils der Fachhochschule darstellen. Auch Frau Hartmann-Strünk vom NRW-Ministerium für Wissenschaft und Forschung betonte die Einzigartigkeit dieser Einrichtung für die bundesdeutsche Hochschul- und Forschungslandschaft. Forschungsbasierte und anwendungsorientierte Wissenschaft sei wichtig für die Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus als gesamtgesellschaftlicher Aufgabe. „Die am Forschungsschwerpunkt durchgeführten Forschungen und daraus entstandenen Publikationen zeigen, dass die MitarbeiterInnen von FORENA häufig neue Entwicklungen im Rechtsextremismus frühzeitig wahrgenommen haben und sich mit diesen Phänomenen systematisch befasst haben“, lobte Frau Hartmann-Strünk die hohe Kompetenz des Forschungsschwerpunktes bei dem Auf- und Nachspüren von aktuellen Entwicklungen im Bereich des Rechtsextremismus. In der ersten von insgesamt drei Keynotes widmete sich Prof. Dr. Hajo Funke von der FU Berlin dem gesellschaftlichen Kontext von Rechtsextremismus. Funke zeichnete die Wechselwirkungen und Dynamiken von vier Entwicklungen nach, die prägend seien für den Rechtsextremismus in der Bundesrepublik: Die fremdenfeindliche Gewaltwelle Anfang der 90er Jahre, die Verbreitung fremdenfeindlicher Einstellungsmuster, soziale Umbrucherfahrungen und medial oft fremdenfeindlich akzentuierte Debatten um Asyl inklusive ihrer Radikalisierung durch neonazistische Kader. Kritisiert wurde in seinem Vortrag auch die „Aufheizung durch die offizielle Politik“, die den Gewalttätern als moralische Legitimation und Entlastung diene. Die große Herausforderung für Staat und Gesellschaft sieht Funke darin, die schleichende Zerstörung der Grundlagen der liberalen politischen Kultur durch den Neo-Nationalsozialismus außerhalb des politischen Machtzentrums in den Parlamenten aufzuhalten. Dazu schlägt er eine „dreifache integrierte Prävention“ vor, die Sicherheitsaspekte ebenso umfasst wie soziale und kulturelle Prävention. Prof. Dr. Hentges von der Hochschule Fulda skizzierte anhand von drei Länderbeispielen – Deutschland, Niederlande und Ungarn – die fließenden Übergänge der Themen der Rechten und der Mitte im Politikfeld Migration. In Deutschland und den Niederlanden werde die Debatte über Migration/Integration häufig verknüpft mit einer Debatte über Islam und Islamismus. Wie sehr die Grenzen zwischen Rechts und Mitte verwischt würden, zeigten die Bücher von Sarrazin und Buschkowsky. Für eine hypothetische „Sarrazin-Partei“ gäbe es nach Einschätzung von Hentges derzeit ein Wählerpotenzial von 15-20 Prozent. Hentges berichtete weiter, dass die rechtsextreme Jobbik-Partei in Ungarn, die bei den letzten Wahlen sehr erfolgreich war, Hass gegen Fremdgruppen wie Sinti und Roma, Juden, Liberale, Sozialdemokraten, Sozialisten, Kommunisten, Kosmopoliten und Homosexuelle bündelt. Die Fremdgruppe fungiere – so Hentges – dabei als „Black Box, in der sowohl religiöse als auch vermeintlich oder tatsächlich ethnische Gruppen, aber auch politische, so genannte Feinde, mit subsumiert werden.“ FORENA-Nachwuchspreis Nach den beiden Keynotes fand die Preisverleihung des FORENA-Nachwuchspreises statt, der zum ersten Mal verliehen wurde. Über den ersten Preis, der mit 1.000 Euro dotiert war, konnte sich Vivien Laumann freuen, die ihre Diplomarbeit an der FU Berlin zu den Möglichkeiten und Grenzen einer genderreflektierten Prävention von Rechtsextremismus verfasst hat. Den zweiten Preis in Höhe von 500 Euro erhielt Matthias Quent von der Friedrich-Schiller-Universität Jena für seine Magisterarbeit, in der er eine Mehrebenenanalyse rechtsextremer Einstellungen in Hessen und Thüringen durchgeführt hat. Aus den insgesamt 24 eingereichten Magister-, Diplom-, Staatsexamens- und Doktorarbeiten wurden außerdem zwei „Anerkennungspreise“ vergeben, die an Rabea Duscha und Dr. Karsten Wilke gingen. Anlässlich der Verleihung des FORENA-Nachwuchspreises stiftete das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen den Sonderpreis „Demokratie und Zusammenhalt in der Vielfalt“, den Anton Rütten, Abteilungsleiter Integration, erstmals an Dr. Gabriele Elverich verlieh. In seiner Laudatio würdigte er ihre hervorragende Dissertation „Demokratische Schulentwicklung – Potenziale und Grenzen einer Handlungsstrategie gegen Rechtsextremismus in der Schule“. Dabei betonte er auch die Wichtigkeit praxisorientierter Forschungsansätze zur Weiterentwicklung und Verbesserung demokratischer Prinzipien und Strukturen in allen Lebensbereichen. Den Abschluss bildete eine Podiumsdiskussion. Der Journalist Andreas Speit, der den Input für die Diskussion lieferte, verwies darauf, dass die Bedrohung vor allem von den Netzwerken und Verstrebungen ausgingen, die sich innerhalb und zwischen den rechtsextremen Gruppierungen und Parteien gebildet hätten und noch immer von Politik, Verfassungsschutz, Medien und Forschung unterschätzt würden. Burkhard Freier, Leiter des Verfassungsschutzes in Nordrhein-Westfalen, stimmte dem zu. Die Verschiedenartigkeit des rechtsextremen Phänomens müsste genauer und differenzierter als bisher beobachtet werden. Er kündigte an, zukünftig mehr Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in die behördliche Arbeit einzubinden und mehr personelle Rotationsverfahren einzuführen. Prof. Dr. Michaela Köttig von der FH Frankfurt/Main forderte, die lang vernachlässigte Gender-Perspektive in der aktuellen Rechtsextremismusforschung aufzugreifen und auch stärker auf Kinder zu achten, die in einem rechtsextremen Umfeld aufwachsen. Am Ende der Diskussion bekräftigte Prof. Dr. Fabian Virchow seine Forderung nach Unterstützung von FORENA als interdisziplinär aufgestellter Forschungseinrichtung mit genügend personellen und finanziellen Kapazitäten, um neue Erkenntnisse zu Rechtsextremismus zu sammeln, zu systematisieren und aufzubereiten. | ||||||||
FH Düsseldorf |